Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat ein recht ordentlich gemachtes Gutachten (PDF) zu den von der Leyen’schen Internetsperren erstellt. Die Geschichte und Struktur des Internets wird darin kurz zusammengefasst. Außerdem wird im Detail auf die unterschiedlichen Aspekte von Content-Provider (Inhaltsanbieter), Host-Provider (Hostinganbieter) und Access-Provider (Zugangsanbieter) eingegangen. Für mich wirkt das zwar etwas knapp aber korrekt und ordentlich. Von einem „unterirdischen“ Gutachten wie die beratungsresistente Blindgängerin von der Leyen behauptet, kann jedenfalls nicht die Rede sein.
Der zweite Teil des Gutachtens beschäftigt sich mit den rechtlichen Aspekten. Und weil nicht jeder Lust hat, die 27 Seiten zu lesen, hier ein paar Kernaussagen:
- Eine Sperrungsverfügung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie auch verhältnismäßig ist. Die Verhältnismäßigkeit ist dann gegeben, wenn die Maßnahme zur Erreichung des Zieles geeignet, erforderlich und angemessen ist.
- Es gibt drei Möglichkeiten zur Sperrung:
- Manipulation der DNS-Einträge am DNS-Server des Access-Providers
- die Benutzung eines Proxy-Servers (wie in Großbritannien)
- die Sperrung der IP-Adresse am Router (wie von Arcor probiert)
- Sperren von IP-Adressen ist trotz Kollateralschaden prinzipiell zulässig.
- Das VG Düsseldorf stellte dazu fest: „Dass mit der Sperrung einer IP-Adresse wegen Rechtswidrigkeit eines Angebots auch andere legale Angebote mit betroffen sein können, macht diese Methode nicht im Rechtssinne zur Gefahrenabwehr ungeeignet. […]“
- Jede der drei aufgeführten Sperrtechniken kann mit einem vergleichsweise geringen Aufwand vom Nutzer oder den Anbietern der Inhalte umgangen werden.
- Um im Internet Sperrverfügungen sinnvoll und effektiv umsetzen zu können, müsste die Struktur des Internets komplett neu gestaltet werden.
- Hält man sich das große Missbrauchspotenzial, das gerade bei zentralen technischen Filtersystemen besteht, und die Bedeutung der Kommunikationsfreiheit für eine freiheitliche Demokratie vor Augen, so muss diese Gefahr als besonders schwerwiegend angesehen werden.
Was mir in dem Gutachten fehlt, ist eine kurze Analyse anderer Sperrsysteme. Die chinesische Internetsperre „Great Wall of China“ und das dahinter liegende technische Verfahren wird zwar kurz erwähnt, das umfangreiche Jugendschutz-Filtersystem in Großbritannien, das Proxy-basiert ist und erst kürzlich zu erheblichen Problemen bei britischen Zugriffen auf Wikipedia geführt hat, ist leider außen vor geblieben. Ist aber eigentlich auch egal, hätte Frau von der Leyen eh nicht verstanden.
Sehr schön finde ich auch den folgenden, wörtlich übernommenen Satz: „Bei der Betrachtung der Umgehbarkeit einer Maßnahme ist außerdem der Kenntnisstand der jeweiligen Zielgruppe nicht außer Acht zu lassen.“ Übersetzung: Nur weil Frau von der Leyen zu dumm ist, eine solche Sperre zu umgehen, gilt das nicht für den Rest der Bevölkerung! 🙂