Marco Gehrcke gab in seinem Vortrag Online Search zu Beginn einen Überblick über die Diskussion zum Bundestrojaner, inzwischen Remote Forensic Software genannt, in den USA und in Deutschland. Interessant der Vergleich einer Hausdurchsuchung, die öffentlich erfolgen muss und einer Rechnerdurchsuchung, die geheim bleiben soll. Hier bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Ich möchte die angesprochenen wichtigen Punkte nur mal in Stichwörtern zusammenfassen, es gibt genug Sekundärliteratur, die genauere Informationen liefert.
Begründung für den Trojaner:
- Verschlüsselung verhindert Strafverfolgung
Funktionen des Trojaner:
- Standort- bzw. IP-Adressbestimmung um Anonymisierungsdienste auszuschalten
- Aufzeichnung aller eingetippten Daten und gelesenen Dokumente
- Keylogger-Funktionen zum Auslesen von Passwörtern und Encryption Keys
Problem: Wie kommt der Trojaner auf den Rechner
- Installation vor Ort durch herkömmlichen Einbruch
- Definierte Schwachstellen durch die Betriebssystemhersteller
Gefahren:
- Zu wenig Ressourcen für die Polizei, um geeignete Software für alle Betriebssystem-Versionen zu entwickeln (OpenBSD-User sind immun?)
- Antivirus-Software erkennt die Remote Forensic Software nicht, Virenschreiber bauen auf diesen Funktionen auf
- Hintertüren im Betriebssystem können z.B. durch Kriminelle missbraucht werden
- Strafverfolgungsmöglichkeiten werden auf Bagatellstraftaten ausgedehnt (z.B. einfache Urheberrechtsverletzungen)
- Verletzung der staatlichen Souveränität bei grenzüberschreitenden Ermittlungen
- Durchsuchungen erfolgen heimlich (wie bei der Gestapo oder Stasi) und nicht mehr öffentlich wie das unser Grundgesetz fordert
Online Durchsuchungen verletzen elementare Grundrechte. Die notwendige Abwägung von Sicherheit gegenüber Freiheit scheint hier nicht erfolgt zu sein. Dazu gab es von Marco Gercke ein schönes Zitat: „Es ist nicht Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass jedes noch so kleine Verbrechen effizient verfolgt werden kann.“
Was wäre die Alternative?
- Verbot anonymer Kommunikation
- Verbot von verschlüsselter Kommunikation
Gercke argumentierte nun, bevor diese Verbote kommen, sei eine gelegentlich stattfindende Online-Durchsuchung mit Richtervorbehalt das kleinere Übel. Ich denke hier genau umgekehrt. Die Online-Durchsuchung scheint von vielen, gerade technisch kaum versierten Mitbürgern akzeptiert zu werden, weil sie nicht verstehen worum es sich dabei handelt und vor allem, dass es sich um einen massiven Angriff auf die grundgesetzlich geschützten Bürger- und Freiheitsrechte handelt. Es steht zu befürchten, dass gerade auch durch die um Zuge des letzten G8-Gipfels in Heiligendamm erfolgte Ausweitung der Definition der „Terroristischen Vereinigung“ (§ 129a StGB) praktisch jeder Demonstrant unter Verdacht steht und damit heimlich durchsucht werden kann. In der ehemaligen DDR genügten dazu „Westkontakte“ in der Bundesrepublik zukünftig wohl „Demonstrationskontakte“. Ein Verbot von verschlüsselter Kommunikation würde jedoch auch der letzten Oma mit Internetbanking klar machen, dass hier etwas grundlegend verkehrt läuft. Der öffentliche Aufschrei würde folglich auch den sitzhaftesten Bundesinnenminister aus dem Amt rollen. Und das wäre dann das kleinstmögliche Übel.